Der Sieg des Bürgerprotests in Nagoya
#Meinungsunfreiheit und danach #Aichi Triennale 2020 #Mädchenstatue für den Frieden #Trostfrauen
Die Aichi-Triennale, ein großes Kunstfestival in Japan, ist bereits international bekannt. Aber im Sommer 2019 erregte die Veranstaltung wegen einer Zensurangelegenheit internationales Aufsehen. Nur drei Tage nach der Festivaleröffnung, am 4. August, ließ Oomura, der Gouverneur der Präfektur Aichi, als Direktor des Organisationskommitees die Ausstellungssektion "Meinungsunfreiheit und danach" einstellen. Die verbotene Sektion wurde aber dank der Bürgerproteste in Japan und der internationalen Solidarität eine Woche vor der Festivalschließung im Oktober wiedereröffnet. Der Bildhauer Eun Sung Kim nannte die Entscheidung für die Wiederaufnahme ein großartiges Ereignis in der japanischen Geschichte. Die verbotene Sektion war eine Fortsetzung der Ausstellung "Meinungsunfreiheit" von 2012. Sie präsentierte die Werke von japanischen und koreanischen Künstler*innen, die auf für herrschende Verhältnisse in Japan wohl nicht bequeme Themen aufmerksam machen: z. B. Artikel 9 der japanischen Friedensverfassung, Infragestellung des Kaisersystems und die Verbrechen des japanischen Militärs vor und während des Zweiten Weltkriegs an den Frauen- und Mädchen, darunter Fotographien von Sehong Ahn, der seit Jahrzehnten die überlebenden Opfer des RapeCenter-Systems in mehreren Ländern im Asien-Pazifik-Raum dokumentierte, und eine PlastikVersion der Mädchenstatue für den Frieden des Künstlerpaars Seo Kyung und Eun Sung Kim. Alle präsentierten Werke waren schon einmal in Japan zensiert bzw. von der Ausstellung ausgeschlossen worden. Offensichtlich wirkten die Kunstwerke so, dass sie es nicht zuließen, dass es sich die Rezipienten in einer Wohlfühl-Nische bequem machen konnten. Kawamura, der Oberbürgermeister Nagoya drückte beim ersten Ausstellungsbesuch sein Mißfallen aus und forderte die Schließung der Ausstellung. Ein Shitsstorm einer anonymen Menge folgte sogleich. Ein Unbekannter schickte ein Droh-Fax und deutete eine eventuelle Brandstiftung in der Ausstellungshalle an. Dennoch stieß die Einstellung der betreffenden Sektion auf die heftige Kritik der Bürger*innen in Nagoya. Die staatliche Gewalt sei nämlich beauftragt, sich nicht vor der ungerechten Gewalt zu beugen, sondern sie zu vertreiben. Nach dem Protest, konnte die Polizei den Fax-Erpresser fassen. Eine große Anzahl der teilnehmenden Künstler:innen der Aichi-Triennale kündigte an, aus Solidarität mit der verbotenen Sektion ihre eigene Werke zurückzuziehen. Die Kuratoren beantragten eine einstweilige Verfügung gegen die Schließung, die aber voraussichtlich erst nach der Beendigung des Kunstfestivals entschieden werden sollte. Unter dem Motto "Wir wollen sie sehen" wurden vor der Festivalhalle fast jeden Tag Protestkundgebungen abgehalten, die die Wiedereröffnung der verbotenen Sektion einforderten. Bürger:innen aus anderen Regionen Japans wie Kanagawa, Tokyo und Osaka s solidarisierten sich. Professor Nagami Nobuhiko in der juristischen Fakultät der Universität Aichi kritisierte, dass der Fall die Unreife der japanischen Gesellschaft zeige. Er bedauerte, dass das "Trostfrauen"-Thema, ein schwerster Fall von Menschenrechtsverletzung, bei vielen als eine bilaterale politische Agenda zwischen Japan und Korea missverstanden wird. Auch die Gewerkschaft für Massenkommunikation und Kultur wies darauf hin, dass es sich hier um die Zensur handele, wenn sich die Regierung in eine Ausstellung inhaltlich einmische und die Darstellungen, die ihr missfallen, ausschließe. Japanische Medien haben den Fall sogar als die größte Zensur seit dem Kriegsende bezeichnet. Eine internationale Petition gegen die Zensur erreichte schnell 16.000 Unterschriften.