Ein offener Brief
15. Oktober 2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister von Dassel,
in letzter Zeit überlege ich mir, was ich Ihnen schreiben könnte, so dass Sie die Friedensstatue von Herzen weiter behalten wollen. Da fiel mir die folgende Geschichte ein.
Ein Mädchen aus Niederländisch-Indien wurde während des Kriegs vielfach vergewaltigt - sie fiel dem „Trostfrauen“-System des kaiserlichen japanischen Militärs zum Opfer. Aufgrund diplomatischen Drucks wurde sie freigelassen. Nach dem Krieg heiratete sie einen Engländer und lebte später in Australien. Sie konnte aber ihre Schreckenserlebnisse aus dieser Zeit nicht vergessen.
Das niederländische Mädchen kennen wir unter dem Namen Jan Ruff O´Herne. Sie starb im letzten Jahr im Alter von 96 Jahren.
https://en.wikipedia.org/wiki/Jan_Ruff_O%27Herne
https://vimeo.com/ondemand/fiftyyearsofsilence
Frau O´Herne schwieg. Sie fing jedoch an über ihre traumatischen Erfahrungen zu erzählen, als sie die Aussage von Hak Soon Kim hörte. Dies war der Anlass, dass sie ihr 50-jähriges Schweigen brach.
Hak Soon Kim, eine Frau in Korea, erzählte öffentlich darüber, was ihr angetan wurde. Viele Leidensgenossinnen aus anderen Ländern folgten.
Es ist eine Geschichte von Schmerzen, Solidarität und Verlangen nach Frieden überhaupt.
Diese Geschichte von Frau O´Herne erzähle ich Ihnen, damit Sie die kurzgefassten Zeilen auf der Schrifttafel der Friedensstatue besser nachvollziehen können. Die Geschichte, die die Tafel nicht weiter erzählen konnte, ist noch nicht abgeschlossen. Im letzten Jahr hat die niederländische Journalistin Griselda Molemans ein Buch in niederländischer Sprache veröffentlicht. Ihr Forschungsergebnis: Die Opfer stammen aus 35 Staaten, darunter auch die Niederlande und Deutschland.
Das Thema ist also mitnichten nur ein bilaterales oder betrifft nur Opfer, die aus dem Asien-Pazifik-Raum stammen. Dadurch dass hier auch europäische Opfer zu beklagen sind, zeigt es sich um so mehr, dass sich das Thema nicht verdrängen lässt, sondern auch schon direkt vor unserer Haustür angekommen ist. Sogar das Europäische Parlament hat hier zum Trostfrauen“-Thema schon im Jahr 2007 einen klaren Beschluss gefasst.
Das sitzende Mädchen trägt zwar eine koreanische Tracht. Aber die Geschichte, die sie in sich und weiter trägt, ist die von all den anderen hunderttausenden Mädchen und Frauen aus fünfunddreißig Staaten. Das „Trostfrauen“-System ist global gesehen ein einzigartiger Fall und ist daher gesondert zu betrachten. Dass der Korea Verband auf der Tafel auf den Mut der Überlebenden hinweist, ohne Namensnennung, verweist auf die noch nicht abgeschlossene Geschichte.
Wir sind alle eingeladen, diese Geschichte fortzusetzen. Das bronzene Mädchen will nicht kämpferisch agieren, sondern es lädt friedlich ein. Der Stuhl neben ihm ist noch frei …
Diese Friedensstatue hat nun durch die Aufhebung der Aufstellungsgenehmigung eine große Aufmerksamkeit bekommen von den Menschen, die ansonsten nicht viel über diese Geschichte wussten. Wenn Sie nun diese Aufhebung wiederum zurücknehmen, wird Ihr Stadtbezirk noch einmal weltweit Aufmerksamkeit bekommen. Man wird von einem Sieg der Demokratie sprechen.
Ich hoffe, dass Sie letztlich die Entscheidung treffen, die Friedensstatue nicht nur das ursprünglich vorgesehene eine Jahr, sondern sogar dauerhaft zu behalten. Sie kann sich dann sogar zu einem Wahrzeichen ihres Stadtbezirks entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Vorstand
Eun Hi Yi
(Vorsitzende)
Punggyeong Weltkulturen e. V.
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